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Grandiose Tango-Musik in der Kaiserpfalz

Konzert der Philharmonischen Gesellschaft mit dem renommierten Bandoneon-Solisten Lothar Hensel

Grandiose Tango-Musik in der Kaiserpfalz

PADERBORN (WV). Die Philharmonische Gesellschaft Paderborn hatte für ihr Konzert am Sonntag in der Kaiserpfalz wieder einmal eine gute Programmwahl getroffen: Lothar Hensel (1961 in Dormagen geboren), gefragter Bandoneon-Solist, bot mit dem Orchester der Philharmonischen Gesellschaft unter Leitung von Thomas Berning einen Tango-Abend der Extraklasse.

Der erfolgreiche Arrangeur, Komponist und Interpret Lo thar Hensel studierte Musik in Buenos Aires und Paris. Anfang Juni 2019 trat er bereits als Gast der Philharmonischen Gesellschaft mit einem sensationellen Konzert in der Kaiserpfalz auf.

Auch im aktuellen Konzert moderierte Hensel sein Programm mit kurzweiligen und nachvollziehbaren Erläuterungen. Man spürte ihm an, dass ihm der Tango in seiner gesamten Tragweite zum musikalischen Lebensinhalt geworden ist.

Das Publikum erlebte ein stimmiges und faszinierendes Konzert, geprägt durch gekonntes und präzises Musizieren von Solist, Orchester und Dirigent Thomas Berning, der obendrein auch als „Tango-Pianist“ überzeugte. Dabei waren für die Musiker erhebliche, insbesondere rhythmische Klippen zu bewältigen.

Auch die vielfältigen Stimmungen der einzelnen Werke wurden vom Orchester klanglich subtil gestaltet. So zeigte sich die Tango-Musik in ihrer vielgestaltigen Entwicklung als eigenständiger, musikalischer Kosmos.

Eröffnet wurde das Konzert mit Hensels Eigenkomposition „Fantasie sobre un choclo (Fantasie über einen Maiskolben), die einer Ouvertüre gleich in das Lebensgefühl der südamerikanischen Musik einführte. Dann folgten zwei Werke von Astor Piazzolla (1921-1992), der als einer der führenden argentinischen Bandoneon-Spieler gilt und kompositorisch wie auch im Sinne einer Weiterentwicklung des traditionellen „Tango Argentino“ als Be- gründer des „Tango Nuevo“ angesehen wird und der sich damit der modernen Musik öffnete. Nach „Sens unique“ (Einbahnstraße) folgte Piazzollas „Oblivion“ (Vergessen), 1984 komponiert für den Film „Heinrich IV.“ des Italieners Marco Bellocchio.

Die besinnliche Musik weist einen Tango auf, der eher wie ein klassisches Konzertstück wirkt. „La Cumparsita“ (kleiner Straßenumzug, 1916), ein Stück von Matos Rodriguez (1897-1948, Uruguay), dürfte der meistgespielte und mustergültige Tango überhaupt sein.

Dem schloss sich „Las Nieblas del Riachuelo“ an, eine weitere Komposition von Lothar Hensel, mit der er eindringlich die diffuse Stimmung in der unwirtlichen Hafenanlage eines Flusses nahe Buenos Aires im Nebel schildert. Stilmittel der modernen Musik tragen effekt- voll zu den beklemmend wirkenden Klangassoziationen bei.

Den Schluss des Konzertes bildeten die „5 Tango Sensations“ für Bandoneon und Streichinstrumente von A. Piazzolla, wobei das Wort „Sensations“ hier im Sinne von Stimmungen zu verstehen ist: „Asleep“ (einschlafen) – „Loving“ (sich lieben) – Anxiety  (Beklemmung)  –„Despertar“ (aufwachen) – „Fear“ (Angst). „Fear“ ist zu- dem kunstvoll als komplexe Fuge angelegt. Der Tango hat sich über seine ursprüngliche Tanzfunktion hinaus zu einem anspruchsvollen Konzertstil, aber auch zu einer südamerikanischen Lebens- philosophie entwickelt.

Als Zugaben spielten die Akteure „Cuesta abajo“ (1934) des legendären Carlos Gardel, weiterhin die Originalversion von Piazzollas „Oblivion“ und das Solostück „Fuelle“ (Blasebalg) als Anspielung auf die Spieltechnik des typischen Tango-Instrumentes Bandoneon, dem von Heinrich Band konstruierten Handzuginstrument. Für ein sehr abwechslungsreiches und virtuoses Konzertereignis dankte das Publikum mit intensivem Beifall.

aus: Westfälisches Volksblatt, Mittwoch, 8. März 2023; Text und Foto Hermann Knaup


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